02.07.2025
Blogbeitrag Nr. 2/2025: Fokus Gebäude
Bestandssanierung – so oder so ähnlich lässt sich in einem Wort gefühlt die Debatte um den Erhalt des Industriestandorts Deutschland zusammenfassen. Das zweite Quartal 2025 ist schon in vollem Gange und die neue Bundesregierung tritt ihren Dienst an. Alle, Unternehmen, Politik und Gesellschaft haben eine Vielzahl von Aufgaben vor der Brust – so zumindest der allgemeine Eindruck, wenn man den Medien folgt. Nun scheint es, dass in einigen Unternehmen schon seit vielen Jahren an der Transformation hin zur Zukunftsfähigkeit unseres Landes gearbeitet wird. Gerade bei den Bestandshaltern und jenen, die in der Wertschöpfungskette von Immobilien aktiv sind, blickt man auf einige ruckelige Jahre nach einem Langzeithoch zurück. Wie gelingt es also sich nicht im „Erfolgskater“ zu verlieren und stets am Wandel und der Anpassung des eigenen Handelns zu arbeiten?
Wir haben nachgefragt bei Rolf Buch, CEO der Vonovia SE. Er führte das Unternehmen nach seinem Einstieg im Jahr 2013 an die Börse und leitet nun über zehn Jahre das größte Immobilienunternehmen in Europa.
Deutsche Unternehmen in Transformation – Ist Politik Nebensache?
JS: Ihr Haus ist seit vielen Jahren entscheidender Marktakteur im Wohnsegment und hat in den volatilen Zeiten, in denen wir leben, schon mehrere Stürme gesellschaftlicher, politischer und wirtschaftlicher Natur meistern müssen. Starten wir gleich in medias res: In Deutschland keimt die Hoffnung auf, dass uns mit dem Beginn der neuen Legislaturperiode auch der „Anbruch einer neuen Ära“ erwartet. Während Sie als Ingenieur vermutlich nüchterner auf die Gemengelage blicken, wollen wir dennoch wissen: Wie ordnen Sie die aktuelle politische Lage, die Ergebnisse des Koalitionsvertrags und die damit einhergehenden Auswirkungen für die deutsche Wirtschaft ein?
RB: Vieles, was jetzt kommen soll, haben die Unternehmen schon lange angemahnt. Beispielsweise wird die Entscheidung, das Abweichen vom Stand der Technik zu ermöglichen, das Bauen vorantreiben. Die Baukosten werden reduziert. Das ist ein wirklicher Fortschritt. Die Baukosten sind neben den Finanzierungskosten der wesentliche Treiber für hohe Mieten in neu gebauten Wohnungen.
Die Idee, eine Kommission zu gründen, die die Marktteilnehmer – insbesondere den Mieterbund und die Vermieter – verbindet, finde ich eine gute Idee.
Es muss darum gehen, pragmatische Lösungen zu finden, statt nach politischen Dogmen zu leben.
Am Ende des Tages liegt zwar die Entscheidung bei der Politik aber es ist sinnvoll diejenigen mit einzubeziehen, die sich tagtäglich mit dem Thema beschäftigen. Wir brauchen eine neue Mietgesetzgebung, weil die jetzige nicht mehr das erfüllt, was beabsichtigt war. Nämlich, dass alle Menschen die Chance Zugang zu bezahlbaren Wohnungen – auch in den Innenstädten – haben. In Summe ist das ein gelungenes Papier, auch wenn die Mietpreisbremse nun von zwei auf vier Jahre verlängert wurde.
JS: Es wirkt, als würde sich das Land „neu erfinden wollen“. Sicherlich ist man zu einer anspruchsvollen, wenn auch lange überfälligen Transformationsreise aufgebrochen. In Analogie zu Ihrem Haus: Welche Erfahrungen haben Sie in Ihrem Haus auf Ihrer eignen Transformationsreise gemacht? Können Sie Ihren Ansatz näher beschreiben und aufzeigen, welche Königswege und Treibsand Sie im Kontext der Transformation bereits erlebt/aufgedeckt haben?
RB: Mit Blick zurück sehe ich zwei Phasen mit großen Veränderungen. Zum einen die Entstehung von Vonovia. Vor unserem Börsengang wurden die Unternehmensentscheidungen in England getroffen, heute treffen wir sie selbst in Bochum. Heute sind wir ein Unternehmen, das seine gesellschaftliche Relevanz als großer Vermieter im stark regulierten Wohnungsmarkt in Deutschland akzeptiert und die Interessen aller Stakeholder – von Mietern, Politik, Investoren, Geschäftspartnern und Mitarbeitern – ausbalanciert. Ohne gesellschaftliche Akzeptanz und die Zufriedenheit unserer Mieterinnen und Mieter, hätte unser Unternehmen überhaupt nicht in der Art und Weise wachsen können.
Jetzt sind wir mittendrin in der zweiten Phase der Veränderung, die sich sehr von der ersten unterscheidet: Jahrelang hatten wir die günstigsten Kapitalkosten. Durch den Börsenkurs und die niedrigen Zinsenkonnten wir mit internationalem Kapital durch Zukäufe und Investitionen in unseren Bestand schnell wachsen. Dieser Wachstumskurs wurde 2022 mit dem Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine abrupt gestoppt: Durch den starken Zinsanstieg sind auch die Kapitalkosten deutlich gestiegen. Liquidität ging vor Rentabilität. Nachdem wir sicher durch die Krise gekommen sind, haben wir im Sommer 2024 die Strategie angepasst. Wir wollen nicht mehr nur durch Akquisition wachsen, sondern aus eigener Kraft. Wir betreiben eine sehr gute und effiziente Bewirtschaftungsplattform, unsere Kosten pro Wohnung sind über die Jahre immer weiter gesunken, unser Service aber gestiegen. Wir verstehen uns heute als moderner Dienstleister und öffnen die Plattform für Dritte. Wir bauen neben dem direkten Kundengeschäft auch ein B2B Geschäft auf. Das geht auch mit einem Kulturwandel im Unternehmen einher.
JS: Das ist aber eine wunderschöne Brücke in die Gesellschaft, Herr Buch, weil letztlich, wenn man sich Deutschland anguckt als der Wohlstandsgenerator Europas über so viele Jahrzehnte, der sich jetzt im Weltgeschehen auch neu orientieren muss und gucken muss, wo sind unsere Märkte, wo sind unsere Abnehmer. Ich glaube, da gibt es noch das ein oder andere Haus, das sich die Frage stellen muss: Wie ist unser Mindset in Bezug auf unsere Geschäftsbeziehungen? Das ist ein sehr spannender Punkt in Bezug auf das Thema Zukunftsfähigkeit, den Sie beschreiben.
Dazu gleich die Anschlussfrage: Welche Geschäftsmodelle und Opportunitäten sehen Sie denn in Zukunft auch für Ihr Haus neben dieser Dienstleistungsplattform, die Sie jetzt avisieren?
RB: Unsere Strategie basiert auf drei Säulen: Mit Back-to-Performance fokussieren wir uns auf den Ausbau der etablierten Geschäftsbereiche wie zum Beispiel unsere eigene Handwerkerorganisation.
Die zweite Säule ist, dass wir in innovative Technologien investieren und die dritte Säule sind dann eher neue Geschäfte, wie jene, die ich gerade beschrieben habe.
Wir haben die Herausforderung, dass unsere Gebäude klimaneutral werden müssen; sie verursachen rund 40 Prozent der CO2-Emissionen. Dafür braucht es einen stringenten Plan und kontinuierliche Anstrengungen.
Zudem müssen die Lösungen schneller und intelligenter werden. Wir setzen deswegen auf zwei Wege. Das ist einmal das serielle Modernisieren, . Hierfür brauchen wir eine Industrie, die uns mit den seriellen Lösungen beliefern kann. Und das Zweite ist ein „Wärmepumpen-Cube“. Wir erarbeiten hier den Übergang von den fossilen Heizungen zur Wärmepumpe in Mehrfamilienhäusern. Dazu arbeiten wir mit Herstellern zusammen, um später das bestmögliche Produkt für unsere Gebäuden nutzen zu können. Es ist für beide Seiten – Vermieter und Hersteller – ein Gewinn: Wir brauchen das Produkt und können den Herstellern gleichzeitig durch unsere Erfahrung helfen, eine optimale Lösung zu bauen. Wir bieten den Vorteil, dass wir eine Abnahmegarantie geben können. Wir denken hier langfristig, nicht nur für unseren eigenen Bestand. Wir können das perspektivisch auch als Dienstleistung für die Bestände Dritter anbieten.
JS: Es scheint, dass Zukunftsfähigkeit bedeutet, Silos aufzubrechen und neue Allianzen in anderen Sektoren zu bilden. Das ist auch mit Blick auf die geplanten Investitionen spannend. Fällt da etwas für die Immobilienwirtschaft ab oder bauen Sie Ihre Geschäftsmodelle der Zukunft so, dass Sie sich an das Umfeld anpassen, um als Unternehmen auch von den Geldern zu profitieren?
RB: Als Marktführer können wir Dinge möglich machen, die für viele Unternehmen nicht zu erreichen sind. Sie können keinen „Wärmepumpen-Cube“ entwickeln, wenn Sie nur wenige Wohnungen bewirtschaften. Das rechnet sich nicht. Deshalb sehen wir es als unsere Aufgabe, Impulsgeber für die Branche zu sein, so dass andere von unseren Erfahrungen profitieren können.
Eine weitere Folge dieser Entwicklung ist, dass die Energieindustrie und die Wohnungswirtschaft zusammenwachsen. Durch die Dekarbonisierung werden wir auch zum Energiedienstleister.
JS: Dabei ist es besonders wichtig die Wertschöpfungskette vom Abnehmer aufzurollen und zu sichern. Der Gebäudesektor bietet in der Hinsicht durch die Bestandshalter eine gute Grundvoraussetzung für diese Entwicklung. Das ist sehr spannend. Die EU Kommission selbst baut dazu auch schon Plattformen.
Zwischen Geopolitik und Geschäft – Wie stabilisieren wir die Märkte und entwickeln die Wirtschaft?
Die geopolitische Lage verursacht auch herausfordernde Situationen entlang der Wertschöpfungsketten. Mit Blick auf die Verfügbarkeit von Baustoffen und den Wettbewerb um Rohstoffe auf dem internationalen Parkett wollen wir wissen: Welche Rolle spielt das transatlantische Verhältnis für die Zukunftsperspektiven Ihres Hauses? Die Frage stellt sich auch vor dem Hintergrund der Investitionsstärke, denn Kapital ist knapp. Wir haben aktuell eine Marktlage in Europa, die natürlich auch durch die Fragmentierung der Kapitalmärkte vielen Investoren Sorgenfalten auf die Stirn treibt. Wie sehen Sie diese Situation aktuell?
RB: Es ist dringend notwendig, dass Deutschland und Europa attraktiver werden für internationales Kapital. Wir sehen im Moment, dass sich Investoren gerade in den USA wieder zunehmend Richtung Europa orientieren. Klar ist: Immobilien in Deutschland sind ein sehr gutes und stabiles Investment.
JS: Warren Buffett hat kürzlich sowas gesagt wie „Cash combined with courage in a time of crisis is priceless“. Einen Umsetzungsplan braucht es aber auch. Transformationsroadmaps gibt es in vielen Unternehmen. Für wie sinnvoll halten Sie solche Pläne? Man sagt ja, jedem Unternehmer, der gründet, jeder Businessplan ist falsch, weil man nach zwei Monaten feststellt, es läuft doch irgendwie alles anders als geplant. Aber welche positiven Impulse kann man denn als Empfehlungen vielleicht auch an das neu zusammengesetzte Kabinett in Berlin in Sachen Anpassungsstrategien mitgeben, aus unternehmerischer Sicht?
RB: Es liegt mir fern, der Politik Ratschläge zu geben, wie man ein ganzes Land managt. Ein Unternehmen zu managen, ist um viele Dimensionen einfacher. Ich erkenne an, dass Politik anders ist und viel komplizierter. Ich kann nur sagen, was wir Unternehmen brauchen:
Wir brauchen eine Entbürokratisierung. Wir müssen uns wieder mehr um unser originäres Geschäft kümmern können. Es gibt ein Beispiel aus Berlin: Da haben wir 30 Jahre auf eine Baugenehmigung gewartet! Was das für Kosten verursacht, mag ich gar nicht ausrechnen. Wir brauchen ein Umfeld, dass es uns Unternehmen erlaubt, kalkulierte Risiken einzugehen. Nur so entstehen Innovationen. Und wir brauchen eine Politik aus einem Guss. Die Politik muss verstehen, , dass Investitionen eine Verzinsung brauchen, aber immer mehr Regulierung Investitionen ausbremst und die Probleme auf dem Wohnungsmarkt nicht löst. Wenn jemand sein Geld auf ein Festgeldkonto, in einen ETF oder in eine Rentenversicherung steckt, erwartet er ja auch, dass am Ende mehr dabei rauskommt als er angelegt hat.
JS: Nein, aber das ist doch wunderbar, weil am Ende geht es ja auch darum, dass wir eben als Unternehmen wieder unseren Beitrag dazu leisten, dass es in unserem Land vorangeht und wenn man dafür seine Wünsche äußert, dann ist das ja schon fast wie ein gut gemeinter Tipp. Also ich sage an der Stelle vielen lieben Dank. Es hat viel Spaß gemacht.